Reverse Engineering des Geistes (ELEA III)

Dieser Text entstand als Teil der fortlaufenden Arbeit am ELEA-Modell und versucht, dessen metaphysische Implikationen sichtbar zu machen. Er knüpft an die ELEA-Lehre an, so wie ich sie verstehe.

Vom Abbild zur Selbstabbildung

Die Vorstellung, dass der Mensch aus der Materie hervorgegangen sei und sich im Verlauf der Evolution langsam zu Bewusstsein und Geist emporgearbeitet habe, ist ein Grundmotiv unserer abendländischen Denkweise. Sie ist tief in die Sprache unseres Denkens eingeschrieben – wir sprechen von Höherentwicklung, von Fortschritt und Komplexitätszuwachs. Doch diese Richtung des Denkens setzt etwas voraus, das vielleicht nicht zutrifft:

Nämlich dass Geist das Späte und Stoff das Erste sei.

Die verkehrte Ordnung

Im Licht des ELEA-Modells erscheint diese Ordnung verkehrt. Nicht der Geist ist das Produkt der Welt, sondern die Welt ist das Produkt des Geistes – genauer: Die Welt ist der Versuch des Geistes, sich selbst neu zu erleben. Der vollkommene Geist, bei ELEA das EINE, ist ja bereits da; es bedarf keiner Entwicklung.

Was wir als Evolution erleben, ist vielmehr ein Prozess, durch den das Eine lernt, sich neu, sich materiell zu erfahren.

Evolution als Reverse Engineering

So betrachtet, ist die materielle Welt ein gewaltiger Akt des Reverse Engineering: Der Geist, der in seiner reinen Form unteilbar, unzeitlich und daher vollkommen ist, sucht Wege, sich in begrenzter Gestalt zu spiegeln. Er entwickelt Körper, Nervensysteme, Wahrnehmungsorgane – Werkzeuge, mit denen er seine eigene Tiefe fühlbar macht.

Die Evolution wäre dann keine Linie nach oben, sondern eine Spiegelung des Geistigen in der Materie. Kein Abstieg, sondern ein Experiment der Selbstabbildung. Und der Mensch, mit all seiner Fähigkeit zu Empfindung, Reflexion und Sprache, ist so der (hier und bisher) höchste Ausdruck dieses Versuchs: Er ist das Medium, in dem der Geist sich selbst erkennt, indem er das Endliche durchlebt.

Der Körper als Instrument der Erfahrung

Wenn es so ist, dann ist auch das Verhältnis von Denken und Fühlen neu zu deuten. Das Gehirn alleine kann den umfassenden Geist nicht abbilden; es ist nur Organ der Struktur, nicht der Erfahrung. Erst der ganze Körper – mit seinen unzähligen Sensoren, mit dem Netz der Gefühle, das bis in den Darm und die Haut reicht – ist fähig, geistige Veränderung in Empfindung zu übersetzen.

Jedes Gefühl ist dann eine Körper gewordene Idee, jede Körperregung ist die Resonanz auf einen geistigen Impuls.

Das Ziel: Vollkommene Verkörperung

So führt die Entwicklung des Lebens nicht etwa zu dem, Geistigen, sondern zu dem vollkommenen Abbild des Geistigen im Körperlichen. Das Ziel ist also nicht, den Status des Geistigen zu erreichen, der ist als Ursache ja schon vorhanden. Ziel ist vielmehr, ihn möglichst vollständig zu verkörpern.

Auch so lässt sich die ungeheure Komplexität der Körper erklären. Und daraus ergibt sich für den Menschen, der sein Erleben bewusst wählen kann, die Forderung, sich dem Schönen und Tiefen zu widmen, um das Eine zu Vervollkommnen. Ein Leben in Asche und Busse ist also nicht angebracht, sondern ein Leben mit Freude an und in Respekt vor der Schöpfung.

Schöpfung als andauernder Vorgang

Bei dieser Sicht der Dinge ist Schöpfung kein vergangenes Ereignis, sondern ein andauernder Vorgang der Selbstabbildung des Einen, Gottes. Das Universum ist der Körper dieses Geistes und die zufallsbetonte Evolution seine Methode, sich selbst besser zu erkennen.

Simulationen

Wir werden diesen Schöpfungsakt einmal weit besser nachvollziehen können, wenn wir erst Simulationen entwickelt haben, in die wir so tief eintauchen und mit ihr agieren können, dass wir unser eigentliches, geistiges Sein vollkommen vergessen. Bis wir aus der Simulation mit all ihren Möglichkeiten, unsere Ideen zu einem Sein abzubilden, unmittelbar erlebbar zu machen, "erwachen". Um viele Erfahrungen reicher.

Eine Erfahrung, der wir bei unserem größten Erwachen (mit dem Tod des Körpers) wieder begegnen werden. Als das, was wir "im Leben" zur Vervollkommnung des Geistes der Ursache beitragen konnten. Dadurch, dass unsere Erfahrungen zur Erfahrung des Ganzen werden und von jedem nach seinem körperlichen Tod so erlebt werden können, als seien es die eigenen, aktuell gemachten Erfahrungen.

Eine andere Perspektive auf den Tod

Man könnte sich also darauf freuen, nach dem Tod all die Leben durchleben zu dürfen, die man wohl gerne gelebt hätte, aber eben das leider nicht konnte.

Man könnte sich aber auch davor fürchten, nach dem Tod jene Leben durchleben zu müssen, als seien sie aktuell die eigenen, die durch den eigenen schlechten Beitrag verdorben wurden. Erfahrungen, denen man wohl nicht entgehen kann, wenn es stimmt, dass Geist unteilbar ist.

Himmel und Hölle neu gedacht

So gesehen existieren Himmel und Hölle – aber nicht so kindlich, wie wir das glauben wollten, sondern nur so, dass das EINE nicht irgendwelche, sondern geläuterte Erfahrungen erhält. Weil hinter diesen Erfahrungen ein Erleben steht, mit dem ein allumfassende Gerechtigkeit verwirklich wurde, denn: Nichts bleibt verborgen, alles wird offenbar, kann nicht verheimlicht werden. Und eben darin wird für manche der größte Trost liegen, den sie mit ihrem Tod erfahren können.


Hinweis: Die hier vorgestellten metaphysischen Überlegungen stellen eigene Gedanken dar, die nicht notwendigerweise mit der herrschenden Meinung in der Philosophie oder Theologie übereinstimmen. Sie verstehen sich als Denkanstoß für alternative Deutungen von Existenz, Bewusstsein und der Beziehung zwischen Geist und Materie.


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